Ben Dehmer
Meister für Veranstaltungstechnik, Inhaber CB Akustik (Wetzlar)
Wie viele Veranstaltungen habt ihr 2019 betreut, wie viele waren es 2020?
Ben: So richtig sagen kann ich das gar nicht - da müsste ich jetzt die einzelnen Rechnungen durchschauen und das auf Veranstaltungstage "runterbrechen". Wir haben in 2019 über 300 Rechnungen für Veranstaltungen geschrieben - hier waren aber auch einige Veranstaltungen mit mehreren Tagen inbegriffen (z.B. Hessentag, Kultur-Festivals). In 2020 waren es dann nur noch knapp über 200 Rechnungen - aber gerade die Mehrtagesveranstaltungen und Festivals sind ab März komplett weggefallen und auch bei anderen Veranstaltungen hat sich auf Grund von geringer bis keiner Publikumsmenge der Aufwand und somit auch der Umsatz massiv reduziert. Der Umsatzeinbruch bei den Veranstaltungseinnahmen für den Zeitraum März bis Dezember 2020 betrug über 60% gegenüber 2019.
Wie sieht es für 2021 aus?
Ben: Wir planen natürlich einiges lange im Voraus, u.a. auch die Wetzlarer Festspiele, wissen aber noch nicht, ob beziehungsweise unter welchen Bedingungen es stattfinden kann. Es hängt an der weiteren Entwicklung der Pandemie. Einige Veranstaltungen - die zum Teil erst im November stattgefunden hätten - wurden auch schon wieder abgesagt und auf nächstes Jahr "verschoben" - ich schreibe das in Anführungsstrichen, weil es meist letztendlich kein Verschieben, sondern ein Ausfallen ist, wenn die Veranstaltung normalerweise jedes Jahr stattfindet.
Was ist deine persönliche Corona-Lösung?
Ben: Eines kann ich schonmal vorneweg sagen: Mir ist nicht langweilig. Ich bin niemand, der auf Grund von Corona in Lethargie oder Schockstarre verfällt. Dasselbe gilt auch für meine Mitarbeiter. Wir sind Macher! Daher haben wir auch früh damit angefangen, unser Tätigkeitsfeld auszuweiten und Erfahrungen im Bereich des Live-Streamings zu sammeln. Wir haben in unserem Lager ein Studio eingerichtet und mit Künstlern der Region Konzerte ins Netz übertragen. Ferner haben wir zusammen mit dem Moderator und Unterhaltungskünstler Frank Mignon das Format "frank & frei bewegt" erschaffen - eine Art Talk- und Musiksendung. Das wirtschaftliche Überleben der Firma ließ sich mit diesen Formaten natürlich nicht sichern, aber es half uns, unseren Namen zu verbreiten und das Unternehmen am Markt zu präsentieren und weitere Kunden im Bereich "Digitale Events" hinzuzugewinnen. So führen wir mittlerweile für diverse Organisationen und Unternehmen Auftragsarbeiten im Bereich Videoaufzeichnung/-schnitt durch, richten mobile Studios bei Kunden vor Ort ein, um Verkaufs-, Informations- und Mitarbeiterveranstaltungen zu realisieren und ähnliches. Zusammen mit den von uns betreuten Sportveranstaltungen (die auch deutlich abgespeckt wurden), diversen Illuminations-Projekten – etwa in Wetzlar und Braunfels - und den Hilfsprogrammen der Regierung sichert es dem Unternehmen das wirtschaftliche Überleben und reduziert vor allem die Kurzarbeit für meine Mitarbeiter. Desweiteren nutzen wir die Zeit zum Umbau unserer EDV-Infrastruktur und treiben die Digitalisierung im Unternehmen voran. Aber auch der Einsatz für die Branche durch Beteiligung an Aktionen wie der „Night of Light“, der Großdemo im September 2020 in Berlin oder den kleineren Landesdemonstrationen war und ist Teil unserer Tätigkeit in der Zeit der Pandemie - gemeinsam stark werden für eine Branche, die viel zu lange ein Schattendasein gefristet hat!
Wie kommst du finanziell über die Runden?
Ben: Finanziell bleibt für mich persönlich nahezu nichts aus dieser gewerblichen Tätigkeit übrig - durch meine langjährige Tätigkeit in einem anderen Wirtschaftsbereich bin ich aber zumindest abgesichert, wenn auch mit massiven Einbrüchen durch die fehlenden Einkünfte aus der Veranstaltungsbranche. Für mich gilt es in erster Linie, die Arbeitsplätze und das Unternehmen zu sichern. Dafür verzichte ich gerne auf einen "Lohn" für meine Tätigkeit.
Was fehlt Dir am Meisten?
Ben: Was mir fehlt, ist der direkte Kontakt zu vielen unserer Kunden. Teilweise hat sich aus der geschäftlichen Beziehung eine freundschaftliche entwickelt, aber auf Grund der Kontaktbeschränkungen und der nicht stattfindenden Veranstaltungen sieht man sich gar nicht mehr und telefoniert nur noch selten. Natürlich fehlen mir auch die immer wieder unterschiedlichen Veranstaltungsaufbauten. Am meisten fehlt aber folgendes: Perspektive und Solidarität für die von der Pandemie am stärksten betroffenen Branchen!
Was sind diesbezüglich deine Wünsche an die Politik und die Bevölkerung?
Ben: Wir wissen jetzt noch nicht, wie es mit den Hilfsprogrammen weitergeht und ob das wirtschaftliche Überleben weiterhin gesichert werden kann. Man hat auch nicht das Gefühl, dass es einen Plan für eine Öffnungsstrategie gibt. Was passiert zum Beispiel, wenn alle geimpft sind, die wollen? Wie geht es weiter? Die Politik fährt immer noch auf Sicht - im Nebel! Es gibt keinen Plan B, noch nicht einmal einen Plan A. Und das ärgert mich! Es ärgert mich, dass man verspricht und es anschließend nicht umsetzen kann (oder will). Wir brauchen ein "So kann es gehen und wenn nicht dann geht es so" - und wenn das heißt, es wird weiter unterstützt und wir "locken down", dann ist das auch ok. Wir brauchen eine bessere Unterstützung der Selbständigen in solchen Krisen. Gerne auch durch Teilnahme an der Sozialversicherung - aber nur, wenn es auch was bringt. Eine freiwillige Arbeitslosenversicherung, die mir als Selbständigem weder Kurzarbeit zahlt noch Arbeitslosengeld, weil ich dafür erst mein Gewerbe abmelden muss (was natürlich überhaupt nicht das Ziel ist), bringt mir nichts. Sie kann daher auch nicht als Argument eingebracht werden. "Ihr habt ja nichts eingezahlt!" - ein Satz, den ich so schon mehrfach aus Kreisen einer Partei mit einem kleiner werdenden "S" am Anfang oft gelesen habe. Stimmt, bringt uns ja auch nichts!
Und jetzt kommen wir abschließend zum Thema „Solidarität“. Wir haben viel Solidarität von unseren Kunden erfahren. Es wurden neue Veranstaltungsformate kreiert, Unterstützung im Bereich Marketing angeboten… Hierfür möchte ich an dieser Stelle Danke sagen! Die Unterstützung aus der Bevölkerung ist leider eher verhalten. Schaut man in die sozialen Medien, hat man teilweise sogar das Gefühl, es gibt sie gar nicht. „Du hättest ja was Anständiges lernen können!" „Dann schließt halt der eine oder andere Club - dafür machen danach neue auf!" „Besser als tot!" - das sind Sätze, die ich im vergangenen Jahr des Öfteren lesen musste. Ich bin enttäuscht darüber. Solidarität ist keine Einbahnstraße, ich kann nicht nur fordern und nichts geben. Hier werden viele Branchen zum Wohle der Gesundheit aller gegen die Wand gefahren. Wenigstens ein wenig Wertschätzung für die Betriebe, die unseren Urlaub geplant haben, uns leckeres Essen zubereitet haben oder für unsere Unterhaltung gesorgt haben, sollte drin sein. Und wenn man nur folgende Devise lebt: „Wer nichts Nettes zu sagen hat, sollte lieber schweigen“. Hier geht es auch nicht um große Aktienkonzerne, sondern um Soloselbständige und kleine/mittelständische inhabergeführte Unternehmen und deren Mitarbeiter - um Menschen!
(Interview vom April 2021)