Kulturgesichter Mittelhessen. Foto: lademann.media

Enrico Sinner

Betriebsleiter Kinopolis Gießen

Enrico Sinner ist Betriebsleiter des Gießener Kinopolis am Berliner Platz. Kinopolis ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Darmstadt. Vor der Krise das Unternehmen 17 Kinos an 14 Standorten. Durch die Schließung des Rex-Kinos in Wetzlar sind es aktuell noch 16 Kinos an 13 Standorten. Das Kinopolis Gießen verfügt über neun Säle mit insgesamt 1355 Sitzplätzen. Das Kinopolis Gießen hatte vor der Krise rund 45 Mitarbeiter. Wie viele es danach sind, vermag Enrico Sinner im Moment noch nicht zu sagen.

Wie viele Spieltage konnten Sie 2020 im Kinopolis noch spielen und wie sahen da die Bedingungen aus?

Enrico Sinner: Wir konnten 2020 noch 70 Tage mit zulässiger 100-Prozent-Auslastung spielen. Das war die Zeit Anfang von des Jahres bis zum ersten Shutdown Mitte März. Dieser Shutdown war für uns dann am 2. Juli 2020 beendet und wir konnten dann bis zum 1. November wieder öffnen. Das waren dann 123 Tage. In der Phase vor dem zweiten Shutdown mussten wir uns immer wieder mit unterschiedlichen Vorgaben auseinandersetzen. Aus dem Grund ist es schwer, genau zu sagen, welche Regel wann genau wie galt. Im Prinzip sah es aber am Ende so aus: Circa 25 Prozent Auslastung in den Sälen, 1,50 Meter Abstand zum nächsten „fremden“ Sitznachbarn nach vorn, hinten, links und rechts. Maskenpflicht im gesamten Haus. Die Maskenpflicht, die am Anfang nur für den Weg zum Sitzplatz hin und weg galt, galt am Ende dann auch für den kompletten Aufenthalt bei uns im Kino und somit auch auf dem Sitzplatz. Dazu kamen noch die allgemeinen Bedingungen der Kontaktnachverfolgung, ausreichende Möglichkeiten, sich die Hände zu desinfizieren, häufiges Desinfizieren von Oberflächen usw. Die Frischluftzufuhr im Kinosaal musste 100 Prozent betragen. Dies ist bei uns aber schon lange Standard und somit keine zusätzliche Anforderung gewesen.

Wie sieht es für 2021 aus?

Sinner: Im Jahr 2021 durften wir bisher noch gar nicht öffnen und unter welchen Voraussetzungen wir es dann demnächst dürfen, können wir jetzt noch nicht sagen.

Was ist Ihre persönliche Corona-Lösung?

Sinner: Corona wird uns auch in den nächsten Jahren begleiten und wir werden lernen müssen, damit umzugehen. Ich habe keine Lösung für Corona und werde mich hüten, Vorschläge zu machen. Da gibt es andere, die das besser können als ich. Ich persönlich habe aber meinen „Frieden“ mit dem Thema gefunden und genieße die Freizeit, die sonst viel zu kurz kommt.

Wie kommt das Kinopolis über die Runden?

Sinner: Wir werden die Krise durchstehen und wieder öffnen, auch wenn die Zeit jetzt sehr hart ist. Mal abgesehen davon, dass wir nicht das machen dürfen, was wir so gern tun, nämlich Menschen eine Alltagsflucht zu bieten, ist es natürlich schwer, nicht „gebraucht“ zu werden. Finanziell wird vieles natürlich auch davon abhängen, ob und welche Hilfen wie und wann fließen.

Was fehlt Ihnen am Meisten?

Sinner: Am meisten fehlen mir unsere Gäste, die in einem gut gefüllten Kinosaal sitzen und über das Gleiche lachen oder auch weinen. Die leuchtenden Augen, wenn Kinder aus einem Kinofilm kommen und begeistert mit ihren Eltern darüber sprechen, was sie da gerade Unglaubliches gesehen haben. Oder eben der Blick in rote, verheulte Augen, weil man gerade auf einer emotionalen Achterbahnfahrt war. Nur Kino kann Kino und ist mit keinem Ort der Welt zu vergleichen.

Was wünschen Sie sich von der Politik und der Gesellschaft?

Sinner: Die Liste der Wünsche die ich an die Politik habe ist lang und würden hier den Rahmen sprengen. Deshalb gebe ich nur ein paar und diese auch nur in Stichpunkten wieder:

  1. ) Eine Öffnungsperspektive mit einem Vorlauf von 4 bis 6 Wochen.
  2. ) Eine Öffnung, die wir unter wirtschaftlichen Aspekten auch wirklich umsetzen können. 25 Prozent Kapazität und ein Verzehrverbot am Platz sind für uns NICHT wirtschaftlich.
  3. ) Ein Kurzarbeitergeld auch für Mini-Jobber und Werksstudenten, denn die fallen dabei komplett durchs Raster.

Von der Gesellschaft wünsche ich mir, dass wieder mehr miteinander geredet wird als übereinander. Dass es nicht nur Schwarz und Weiß in dieser Zeit gibt, es gibt noch unglaublich Vieles dazwischen. Nicht jeder, der die Maßnahmen für gut hält ist gleich ein „Mitläufer“, der nicht nachdenkt und genauso wenig ist jemand, der Dinge kritisch hinterfragt gleich ein „Querdenker“ oder „Aluhutträger“. Wir müssen aufhören, nur in solchen Schubladen zu denken und jeden gleich anzugreifen, der nicht genau die gleiche Meinung hat wie man selbst. Das spaltet die Gesellschaft nur noch mehr und am Ende ist niemanden damit geholfen.

(Interview vom Mai 2021)

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